Rechtsprechung

Auf einem Dach steht eine Statue der Justitia, die eine Waage und ein Schwert in den Händen hält. Auf einem Dach steht eine Statue der Justitia, die eine Waage und ein Schwert in den Händen hält. Auf einem Dach steht eine Statue der Justitia, die eine Waage und ein Schwert in den Händen hält. © Bildquelle: pixabay.com
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Alles, was Recht ist II:

Ausgabe 36  -  April 2023
Resturlaub für immer
Wie es um den entstehenden Resturlaub aus dem Vorjahr bestellt ist, hat sich im Laufe der Jahre zunehmend gewandelt. Bisher unterlag der Resturlaub, wenn er nicht bis zum Stichtag beantragt wurde, der Verjährung. Doch genau diese Verjährung gemäß §§ 195, 199 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch) sah das BAG (Bundesarbeitsgericht) in einem anhängigen Verfahren für fraglich an, da sie möglicherweise mit Artikel 7 der EU-Richtlinie 2003/88/EG nicht vereinbar sein könnte.
Das BAG richtete daher diese Fragestellung vor zwei Jahren an den EuGH (Europäischer Gerichtshof) (BAG, Beschluss vom 29.09.2020, 9 AZR 266/20 (A)). Der EuGH sah ebenfalls eine Unvereinbarkeit (AZ: C-120/21 LB). Urlaubstage dürfen nicht automatisch nach drei Jahren verjähren. Wenn Arbeitgebende ihre Arbeitnehmenden nicht zum Urlaub auffordern, dann ist eine Verjährung des Urlaubs europarechtlich ausgeschlossen.
Mit Urteil vom 20.12.2022 hat nun das BAG (Az.: 9 AZR 266/20 = Pressemitteilung Nr. 48/22 des BAG) das anhängige Verfahren beendet und damit das EuGH-Urteil in deutsches Recht überführt.
Urlaub in einem bestehenden Arbeitsverhältnis kann nicht verjähren, wenn die Arbeitgebenden ihrer Informationspflicht nicht nachkommen. Sie müssen ihre Beschäftigten auf die Urlaubsansprüche hinweisen und ausdrücklich davor warnen, dass, wenn kein Urlaubsantrag gestellt wird, diese Urlaubsansprüche verfallen.
Worum ging es in dem BAG-Verfahren?
In dem BAG-Verfahren ging es darum, ob Arbeitnehmende auch dann Anspruch auf die Auszahlung ihres Urlaubs haben, wenn sie selber gekündigt haben und den Urlaub nicht mehr nehmen konnten. Das Bundesarbeitsgericht entschied, dass Arbeitgebende den Urlaub auszahlen müssen, auch wenn die Kündigung nicht von ihnen kam. Der Verfall von Urlaubsansprüchen verstößt gegen EU-Recht. Beschäftigte haben das Recht, ihren Urlaub auch tatsächlich nehmen zu können. Daher müsse der Arbeitgebende den Urlaub auch dann auszahlen, wenn er nicht mehr genommen werden kann.
Klar zu unterscheiden sind allerdings die Verjährung des Urlaubsanspruches an sich und die Verjährung eines Auszahlungsanspruches des nicht genommenen Urlaubs.
Wer nun gehofft hat, dass nach diesem Urteil des BAG ebenfalls der Wegfall der Verjährungsfrist bei Abgeltungsansprüchen von nicht genommenem Urlaub gegeben sein könnte, wurde nun in einem weiteren Urteil des BAG (Urt. v. 31.01.2023, Az. 9 AZR 456/20) enttäuscht.
In diesem Urteil wurde klargestellt, dass nach Ende eines Arbeitsverhältnisses bei finanziellen Abgeltungsansprüchen für nicht genommenen Urlaub auch weiterhin eine Verjährungsfrist gilt. Nach § 37 TV-L beträgt diese Verjährungsfrist 6 Monate.
Bei Abgeltungsansprüchen steht nicht der wichtige Erholungszweck, sondern der finanzielle Ausgleich für Urlaub im Vordergrund. Es gibt nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses zudem auch keinen Druck mehr, auf den Urlaub zu verzichten.

 

Alles, was Recht ist I:

Ausgabe 36  -  April 2023

Rien ne va plus ArbeitsvorgangIm PR-Info 32 berichteten wir im Rahmen der gestarteten Tarifrunde 2021 von dem Ansinnen des Arbeitgeberverbandes TdL (Tarifgemeinschaft deutscher Länder) an die Arbeitsvorgänge zu gehen, um diese ins Kleinste aufzusplitten.
Der Arbeitsvorgang ist die Grundlage der Arbeitsplatzbewertung und damit von zentraler Bedeutung für die Eingruppierung der Beschäftigten. Eine Aufsplittung der Arbeitsvorgänge in kleinere Einheiten, die tariflich bewertet werden, kann gravierende negative Folgen für die Beschäftigten nach sich ziehen. Es ist daher nicht nachvollziehbar, dass die Arbeitgebenden alles, was wir über Jahre gemeinsam erarbeitet haben, um zu einer angemessenen Eingruppierung zu kommen, in Frage stellen. Dazu gehört auch die Entgeltordnung, die erst vor wenigen Jahren in Kraft getreten ist.
Über die Hintergründe lässt sich nur spekulieren. Die Vermutung, dass die TdL dadurch eine bessere Kontrolle und Steuerung der Arbeit gewinnen und in Folge dessen eine gerechtere Entlohnung der Beschäftigten erreichen wollte, dürfte eher die unwahrscheinlichste sein.
Eine Aufteilung von Arbeitsvorgängen in kleinere Arbeitsschritte kann grundsätzlich dazu beitragen, dass die Arbeit besser planbar und steuerbar wird. Auch könnten durch diese Aufteilung die Anforderungen und Belastungen der einzelnen Tätigkeiten besser erkannt und bewertet werden. Dies kann sich positiv auf die Arbeitsbedingungen und die Gesundheit der Beschäftigten auswirken - die Betonung liegt dabei aber auf dem Wort „kann“.
Ebenso kann diese Aufteilung in kleinste Arbeitsschritte auch negative Auswirkungen haben, insbesondere, wenn dadurch eine ungleiche Entlohnung entsteht. Geringwertige Arbeitsschritte könnten gezielt konzentriert verteilt werden, wodurch - wenn forciert - zum Schluss eine niedrigere Eingruppierung das Ergebnis sein könnte. Zudem kann eine zu starke Unterteilung von Arbeit dazu führen, dass die Arbeitsabläufe ineffizient werden und die Motivation der Beschäftigten leidet: Wenn man immer nur noch kleine Teilaufgaben macht, statt eine Aufgabe von Anfang zum Ende abarbeiten zu können.
Weitere Folge dieses Begehrens könnte am Ende eine noch weitere Steigerung der ohnehin schon bestehenden hohen Arbeitsverdichtung sein. Der schlechte Bewerbendenmarkt, die eklatante Einkommenslücke zur freien Wirtschaft und der daraus resultierende Kampf um geeignete Fachkräfte in Stellenbesetzungsverfahren wäre damit noch schwieriger als zur Zeit ohnehin schon.
Bei den Tarifverhandlungen 2021 konnte das Begehren der Arbeitgebenden noch erfolgreich abgewehrt werden. Aus unserer Sicht gibt es auch weiterhin keinen Handlungsbedarf bei der Eingruppierung. Die Arbeitgebenden wollen den Beschäftigten nur in die Tasche greifen! Wenn wir uns darauf einlassen, sind Herabgruppierungen und Einstellungen in niedrigere Entgeltgruppen die absehbare Folge.
Das sieht auch das BAG (Bundesarbeitsgericht) so: In zwei aktuellen Urteilen befand es, dass Tätigkeiten im öffentlichen Dienst im Gesamtzusammenhang zu bewerten sind, um daraus Eingruppierung und Entgelt ableiten zu können. Dagegen legten TdL und das Land Berlin Verfassungsbeschwerde ein: Aus Arbeitgebendensicht sei das BAG mit seiner Auslegung zu weit gegangen und habe sich selbst an die Stelle der Tarifvertragsparteien gesetzt. Darin liege ein Eingriff in die Tarifautonomie. Dieses Grundrecht stehe auch den öffentlichen Arbeitgebenden zu. Die Gewerkschaft ver.di hingegen hielt die Auslegung durch das BAG für zulässig und sah mit Blick auf die Verfassungsbeschwerde keine Erfolgsaussichten. Das Bundesverfassungsgericht hat die Beschwerde eingehend geprüft und entschieden, dass die Verfassungsbeschwerde insgesamt unzulässig ist. Sie wurde abgewiesen: Damit haben die BAG-Urteile weiterhin bestand.
„Komplexe Tätigkeiten müssen auch künftig im Zusammenhang bewertet und vergütet werden. Die Entgeltordnung trägt den Veränderungen in der Arbeitswelt Rechnung. Was früher mehrere Beschäftigte arbeitsteilig geleistet haben, liegt heute oft in einer Hand. Daraus ergibt sich mehr Komplexität, nicht weniger. Das muss auch angemessen vergütet werden.“ [aus: Presseerklärung ver.di 21.12.2022]

 

Reicht zusätzliche Berufserfahrung als Begründung für eine Befristung nach dem Wissenschaftszeitvertragsgesetz (WissZeitVG)?

Ausgabe 32 - Juli 2021

Mit dieser Frage hat sich das Landesarbeitsgericht (LAG) in Köln im letzten Herbst beschäftigt. In seinem Urteil vom 07.10.2020 - 5 Sa 451/20 stellt das Gericht fest, dass der § 2 Abs. 1 S. 1 WissZeitVG (Qualifizierungsbefristung) dahingehend auszulegen ist, dass die Befristung nur wirksam ist, wenn sie eine wissenschaftliche Qualifizierung fördern soll, die sich nicht in der bloßen Gewinnung zusätzlicher Berufserfahrung erschöpft, sondern darüber hinausgeht.

Nach Auffassung des LAG Köln ist es zwar nicht erforderlich, dass sich die Förderung der Qualifizierung auf ein formales Qualifizierungsziel bezieht. Allerdings seien die bloße Verrichtung wissenschaftlicher Arbeiten und die mit der Ausübung wissenschaftlicher Tätigkeiten typischerweise und regelmäßig verbundenen Kompetenzzuwächse, die sich aus der zunehmenden Berufserfahrung ergeben, nicht ausreichend. Vielmehr bedürfe es der Förderung einer wissenschaftlichen Qualifizierung, die darüber hinausgeht und sich nicht in der bloßen Gewinnung zusätzlicher Berufserfahrung erschöpft.

Gegen das Urteil ist Revision beim Bundesarbeitsgericht eingelegt worden (BAG - 7 AZR 573/20 (anhängig)). Es ist also nicht rechtskräftig. Wenn allerdings das BAG das Urteil bestätigt, dann dürfte dies weitreichende Folgen für die Befristungspraxis nach WissZeitVG haben. Dann müssten sich die Arbeitgeber*innen und somit auch die LUH deutlich mehr Gedanken machen, welche Qualifizierung jeweils durch die Befristung nach § 2 (1) S. 1 WissZeitVG erlangt werden soll.

Sabbatjahr kann nicht wegen Corona beendet werden

Ausgabe 29 - September 2020

Sabbatjahr kann nicht wegen Corona beendet werden

Die Corona-Pandemie ist kein Grund, ein Sabbatjahr für eine Weltreise vorzeitig zu beenden. Das hat das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen mit zwei Beschlüssen klargestellt.

Zwei verbeamtete Lehrer waren zum Schuljahr 2019/2020 in die Freistellungsphase der ihnen bewilligten Teilzeitbeschäftigungen im Blockmodell eingetreten, das sogenannte Sabbatjahr. Anfang April 2020 beantragten sie während der gemeinsamen Weltreise per E-Mail von Australien aus die vorzeitige Beendigung des Freistellungjahres bei den jeweils zuständigen Bezirksregierungen Arnsberg und Düsseldorf. Ihr Argument: die Freistellungszeit sei infolge der Belastungen durch die Pandemiebeschränkungen für sie entwertet worden. Erst- instanzlich blieben beide Eilanträge vor dem Verwaltungsgericht Düsseldorf und dem Verwaltungsgericht Gelsenkirchen ohne Erfolg.

Kein Härtefall

Das OVG bestätigte diese Entscheidungen, die zur Begründung für die Zurückweisung der Beschwerden anführten, dass kein besonderer Härtefall für die vorzeitige Beendigung vorliege. Hierzu müssten den Beamten die Fortsetzung der Teilzeitbeschäftigung nicht mehr zuzumuten sein. Insbesondere reiche es nicht aus, dass die Antragsteller ihre Weltreise nicht wie geplant fortsetzen können. Lehrkräften in Freistellungsphasen sei es wie jedem anderen auch zumutbar, ihre privaten Lebensverhältnisse an den pandemiebedingten Einschränkungen auszurichten, die zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung in großen Teilen zudem nicht mehr bestünden.

Die Beschlüsse sind unanfechtbar.

Dieser Text wurde unverändert entnommen aus: https://www.bund-verlag.de/personalrat/aktuellespr~Sabbatjahr-kann-nicht-wegen-Corona-beendet-werden~?newsletter=PR-Newsletter%2F06.08.2020 abgerufen am 10.08.2020.

Entgrenzung ade? Das EuGH-Urteil zur Arbeitszeiterfassung

Ausgabe 27 - Oktober 2019

Am 14. Mai dieses Jahres wurde am Europäischen Gerichtshof (EuGH) im Streitfall zwischen der spanischen Gewerkschaft CCOO und dem spanischen Arm der Deutschen Bank ein wegweisendes Grundsatzurteil (C-55/18) zur Arbeitszeitrichtlinie 2003/88/EG gesprochen. Es wurde entschieden, dass aus dieser Richtlinie auch die Pflicht der Arbeitgeber*innen hervorgeht, die täglichen Arbeitszeiten genau zu dokumentieren. Die Arbeitszeitrichtlinie legt zwar die Arbeitszeitgrenzen fest, wie aber diese Grenzen zu erfassen sind und wie ihre Einhaltung sichergestellt werden kann, dazu schweigt die Richtlinie. Sie enthält keine ausdrückliche Pflicht zur Dokumentation der Arbeitszeit.

Die Urteilsbegründung beruft sich auch auf den Artikel 31 Absatz 2 der Europäischen Grundrechtecharta, der den Arbeitnehmer*innen das „Recht auf eine Begrenzung der Höchstarbeitszeit, auf tägliche und wöchentliche Ruhezeiten sowie auf bezahlten Jahresurlaub“ gewährt. Ohne eine Aufzeichnungspflicht und ein zuverlässiges Erfassungssystem ist es Arbeitnehmer*innen jedoch praktisch unmöglich, ihre Rechte nach der Charta und der Arbeitszeitrichtlinie durchzusetzen. Hier kann eine objektive, verlässliche und für Arbeitnehmer*innen zugängliche Zeiterfassung helfen.

Wie ist die Arbeitszeit in Deutschland gesetzlich geregelt?

Zusätzlich zu der bereits erwähnten Charta der Grundrechte und der Arbeitszeitrichtlinie auf europäischer Ebene gilt in Deutschland das Arbeitszeitgesetz (ArbZG). Dieses gibt den verbindlichen nationalen Rahmen vor und orientiert sich an den europäischen Regelungen, geht jedoch in einigen Punkten darüber hinaus.

Folgende Regelungen sind im Arbeitszeitgesetz und in der Arbeitszeitrichtlinie identisch:

  • eine Mindestruhezeit von elf Stunden in 24 Stunden
  • eine Mindestruhezeit von 24 Stunden in sieben Tagen
  • eine Höchstarbeitszeit von 48 Stunden in sieben Tagen
  • die Pflicht zur Gewährung einer Pause bei einer täglichen Arbeitszeit von mehr als sechs Stunden

Darüber hinaus schreibt das Arbeitszeitgesetz den Achtstundentag fest und verpflichtet Arbeitgeber*innen, Arbeitszeiten aufzuzeichnen, falls diese über acht Stunden pro Tag hinausgehen.

Ergänzend zu den oben genannten Regelungen trat 2014 das deutsche Mindestlohngesetz (MiLoG) in Kraft. In diesem ist neben dem Mindestlohn die grundsätzliche Aufzeichnungspflicht für bestimmte Berufsgruppen festgeschrieben. Zu diesen Berufsgruppen zählen insbesondere die im Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz (SchwarzArbG) genannten Branchen wie Bauarbeitnehmer*innen, Gaststätten- und Hotelangestellte, Gebäudereinigungskräfte und Speditions- und Transportarbeiter*innen. Ebenso betrifft diese Aufzeichnungspflicht geringfügig Beschäftigte im Sinne des § 8 Abs. 1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV): sogenannte „Mini-Jobber“. Das Ziel der Gesetzgebung ist es sicherzustellen, dass die Mindestlohngrenze eingehalten und Schwarzarbeit verhindert wird.

Welche Auswirkungen hat das EuGH-Urteil auf das deutsche Arbeitsrecht?

Das Urteil hat vorerst keine direkten Auswirkungen. Die EU-Staaten sind durch das Urteil dazu angehalten, entsprechende Regelungen zu schaffen. Das bedeutet, dass aus dem Urteil keine sofortige Änderung der Gesetzeslage in Deutschland folgt. Eine Dokumentationspflicht der Arbeitszeit besteht nach wie vor nur in den bereits gesetzlich festgelegten Ausnahmefällen. Allerdings können sich Arbeitnehmer*innen bei Auseinandersetzungen vor Gericht auf dieses Urteil berufen, denn es ist von Gerichten bei der Rechtsprechung zu berücksichtigen. Eine konkrete Frist zur Rechtsänderung hat der Gerichtshof den EU-Staaten nicht gesetzt. Erst wenn die entsprechende Gesetzesänderung in Deutschland kommt, wird es eine generelle Pflicht zur Arbeitszeiterfassung geben.

Welchen Sinn hat diese Reglementierung der Arbeitszeit?

Diese Regelungen dienen dem Schutz der Gesundheit und garantieren das Recht auf gerechte und angemessene Arbeitsbedingungen. Im Falle des Mindestlohngesetzes sichern sie eine faire Bezahlung. Sie schützen Beschäftigte vor Ausbeutung durch sich selbst oder durch Arbeitgeber*innen. Im Fall von gerichtlichen Auseinandersetzungen stärken sie die Position der Arbeitnehmer*innen und verringern die bisher den Arbeitnehmer*innen auferlegte Beweislast.

Unbezahlte Überstunden sind Lohn- und Zeitdiebstahl und haben ein inakzeptables Hoch erreicht. Permanenter Standby-Modus und die damit einhergehende  Entgrenzung der Arbeit gefährden die Gesundheit. Das Urteil schiebt hier einen Riegel vor.

Entgegen der Kritik, das Ende der flexiblen Arbeitszeit sei in Sicht, bietet das Urteil gerade eine gesicherte Basis für flexible Arbeitszeitgestaltung, z.B. im Rahmen von Gleitzeit. Ein wichtiger Schritt auf dem Weg zu einer besseren Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben!


Ordentliche Kündigung eines Mitarbeiters wegen Lektüre von „Mein Kampf“

Ausgabe 24 - November 2018

Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg (LAG) hat entschieden, dass die ordentliche Kündigung eines Mitarbeiters des Bezirksamtes Reinickendorf, der während der Arbeitszeit im Pausenraum des Dienstgebäudes die Originalausgabe von „Adolf Hitler, Mein Kampf“ mit einem eingeprägten Hakenkreuz gelesen hatte, rechtswirksam ist.

Der Mitarbeiter trete in Uniform als Repräsentant des Landes Berlin auf und ist in besonderer Weise verpflichtet, jederzeit für die freiheitlich-demokratische Grundordnung einzutreten. Er habe mit dem öffentlichen Zeigen des Hakenkreuzes, einem verfassungswidrigen Symbol, in besonderer Weise gegen diese Verpflichtung verstoßen. Das beklagte Land müsse dieses schwerwiegende Verhalten nicht abmahnen, sondern könne es zum Anlass für eine ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses nehmen.

Das LAG hat die Revision an das Bundesarbeitsgericht nicht zugelassen.

LAG Berlin-Brandenburg, Urteil v. 25.9.2017, Az. 10 Sa 899/17

Sexuelle Belästigung rechtfertigt fristlose Kündigung

Ausgabe 24 - November 2018

Das Bundesarbeitsgericht entschied, dass es sich bei einer sexuellen Belästigung um eine Verletzung vertraglicher Pflichten handelt, die »an sich« als wichtiger Grund  für eine fristlose Kündigung geeignet ist.

Der zielgerichtete Griff in die Genitalien eines anderen ist eine sexuell bestimmte körperliche Berührung, die – bei objektiv erkennbarer Unerwünschtheit – eine sexuelle Belästigung darstellt. Es handelt sich um einen auf die körperliche Intimsphäre gerichteten Übergriff, durch den die sexuelle Selbstbestimmung des Betroffenen negiert und damit seine Würde verletzt wird. Auf eine sexuelle Motivation des Handelnden kommt es nicht an.

BAG, Urteil v. 29.6.2017, Az. 2 AZR 302/16

„Zuvor-Beschäftigung“ bei sachgrundloser Befristung

Ausgabe 23 - Juni 2018

Sachgrundlose Befristungen sind nur einmal bei demselben Arbeitgeber zulässig. Die bisherige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG), dass einem erneuten Arbeitsverhältnis mit dem gleichen Arbeitgeber nichts entgegenstünde, wenn das Ende des vorangegangenen Arbeitsverhältnisses mehr als drei Jahre zurückliegt, ist verfassungswidrig, entschied das Bundesverfassungsgericht.

BVerfG, Beschl. v. 06.06.2018, Az. 1 BvL 7/14, 1 BvL 7/14, 1 BvR 1375/14

Jahressonderzahlung bei mehreren Arbeitsverhältnissen

Ausgabe 22 - Februar 2018

Bestehen in einem Kalenderjahr nacheinander mehrere Arbeitsverhältnisse desselben Arbeitnehmers zu demselben Arbeitgeber, sind Bemessungsgrundlage  und Bemessungssatz für die Höhe der Jahressonderzahlung nach § 20 Abs. 3 Satz 3 TV-L (Bemessungszeitraum = 1. voller Kalendermonat des Arbeitsverhältnisses, Bemessungssatz = Entgeltgruppe am Einstellungstag) zu bestimmen, wenn das Arbeitsverhältnis, das am 1. Dezember des Jahres besteht, nach dem 31. August des Jahres begonnen hat. Ein enger sachlicher Zusammenhang der Arbeitsverhältnisse ist dabei unerheblich.

BAG, Urteil vom 22.3.2017 - 10 AZR 623/15

Anzahl der Urlaubstage bei Veränderung der Wochenarbeitstage

Ausgabe 21 - Oktober 2017

1. § 26 (1) S. 4 TVöD a.F. ordnet die Umrechnung von Urlaubsansprüchen für den Fall an, dass der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung abweichend vom tariflich vorgesehenen Normalfall nicht in der Fünftagewoche leistet. Sinn und Zweck der Vorschrift ist es, die Gleichwertigkeit der Urlaubsdauer unabhängig von der Anzahl der wöchentlichen Arbeitstage sicherzustellen.

2. Der für die Berechnung maßgebliche Zeitpunkt ist der, zu dem der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer den Urlaub gewährt.

3. Ändert sich die Anzahl der Tage mit Arbeitspflicht, bevor der Arbeitnehmer den gesamten Urlaub in Anspruch genommen hat, ist der verbleibende Urlaubsanspruch unter Berücksichtigung des bereits vom Arbeitgeber gewährten Urlaubs zu berechnen. Dabei ist die Anzahl der zum Zeitpunkt des Wechsels noch nicht genommenen Urlaubstage (z.B. 10) mit dem Quotienten zu multiplizieren, der sich aus der Anzahl der Wochenarbeitstage unter dem neuen Arbeitszeitregime (Dividend, z.B. 4) und der Anzahl der Wochenarbeitstage unter dem alten Arbeitszeitregime (Divisor, z.B. 5) ergibt, d.h.
4 : 5 = 0,8 / 10 x 0,8 = 8 Tage

4. Soweit infolge des § 26 (1) S. 5    Hlbs. 2 TVöD a.F., dem zufolge Bruchteile von weniger als einem halben Urlaubstag unberücksichtigt bleiben, geringfügige Abweichungen zulasten eines teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmers auftreten, handelt es sich um unbedenkliche Randunschärfen, die darin begründet sind, dass die Tarifvertragsparteien den Urlaubsanspruch entsprechend dem Tagesprinzip in ganzen Tagen berechnet sehen wollen.

BAG, Urteil v. 14.3.2017 - 9 AZR 7/16

Feiertagsvergütung bei Urlaub

Ausgabe 21 - Oktober 2017

Fällt ein gesetzlicher Feiertag in einen Urlaubszeitraum, besteht für den Feiertag Anspruch auf Entgeltzahlung nach § 2 (1) EFZG.

BAG, Urteil v. 26.10.2016 - 5 AZR 456/15

Fortsetzung der Tätigkeit nach Befristungsende

Ausgabe 21 - Oktober 2017

Nach § 15 (5) TzBfG gilt ein Arbeitsverhältnis als auf unbestimmte Zeit verlängert, wenn es nach Ablauf der Zeit, für die es eingangen ist, mit Wissen des Arbeitgebers fortgesetzt wird und der Arbeitgeber nicht unverzüglich widerspricht. Arbeitgeber i.S.v. § 15 (5) TzBfG ist nicht jeder Vorgesetzte, sondern der Arbeitgeber selbst. Seiner Kenntnis steht die Kenntnis der zum Abschluss von Arbeitsverträgen berechtigten Vertreter gleich.

BAG, Urteil v. 28.9.2016 - 7 AZR 377/14

Dienstliches oder privates „Geschäft“?

Ausgabe 20 - Mai 2017

Dienstliches oder privates „Geschäft“?

Sucht ein Beamter während der Dienstzeit zur Verrichtung der Notdurft im Dienstgebäude eine Toilettenanlage auf, so endet der Dienstunfallschutz mit dem Durchschreiten der Außentüre und lebt erst nach Verlassen der Toilettenanlage wieder auf. Verletzt sich der Beamte innerhalb der Toilettenanlage, so handelt es sich nicht um einen Dienstunfall.

VG München, Urteil vom 08. August 2013 – M 12 K 13.1024 –, juris

IP-Adressen sind personenbezogene Daten

Ausgabe 20 - Mai 2017

Auch dynamische IP-Adressen von Website-Besuchern können personenbezogene Daten darstellen. Voraussetzung ist, dass der Betreiber der Seite rechtlich die Möglichkeit hat, die Identität von Nutzern über deren Internetanbieter ermitteln zu lassen. Das Speichern dieser Daten kann auch zur Abwehr von Cyber-Angriffen erforderlich sein.

Letztlich gilt jedoch: IP-Adressen dürfen nicht rechtfertigungslos und unbegrenzt gespeichert werden.

EuGH, Urteil vom 19. Oktober 2016 – C-582/14

Ihr Recht im Streikfall

Ausgabe 19 - Januar 2017

  • Der Streik ist ein Grundrecht (Artikel 9 Abs. 3 Grundgesetz).
  • Die von ver.di ausgerufenen Warnstreiks und Streiks sind rechtmäßige Arbeitskampfmaßnahmen und dürfen vom Arbeitgeber nicht verhindert werden (BAG - 1 AZR 342/863).
  • Alle Beschäftigten dürfen streiken, ob gewerkschaftlich organisiert oder nicht. Die Streikteilnahme stellt keine Verletzung des Arbeitsvertrages dar (BAG - 1 AZR 651/86). Während des Streiks ruhen alle Rechte und Pflichten des Arbeitsvertrages.
  • Notdienste anlässlich des Streiks dürfen von der Dienststelle nicht einseitig organisiert und Beschäftigte dafür verpflichtet werden, sondern nur mit der ver.di-Streikleitung vereinbart werden (BAG - 1 AZR 142/94 und BAG -1 AZR 265/80).
  • Kein Beschäftigter ist verpflichtet seine Streikteilnahme anzukündigen oder sich dafür abzumelden. Dies würde der wirksamen Ausübung des Streikrechts widersprechen (BAG - 1 AZR 364/96). Eine Pflicht zum „Ausstempeln“ besteht nicht, da der Streik in der Arbeitszeit stattfindet.
  • Maßregelungen wegen der Teilnahme an Streikmaßnahmen sind unwirksam und verboten.
  • Achtung: Bei elektronischer Zeiterfassung ist ein Abzug von Arbeitszeit vom Zeitkonto zusätzlich zum Abzug von Gehalt unzulässig! Wenden Sie sich in solchem Fall an den Personalrat, wir helfen Ihnen gern weiter.

Startgutschriftenregelung der VBL unwirksam

Ausgabe 18 - September 2016

Der IV. Zivilsenat des BGH hat in zwei Revisionsverfahren am 9. März 2016 die Regelung der Startgutschriften rentenferner Versicherter der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (VBL) für unwirksam erklärt. Auch das so genannte Vergleichsmodell, auf das sich die Tarifvertragsparteien mit dem Änderungstarifvertrag Nr. 5 zum ATV verständigt hatten und das in die Satzung der VBL übernommen wurde, beseitige die in seinem Urteil vom 14. November 2007 (IV ZR 74/06) festgestellte Ungleichbehandlung für eine Vielzahl rentenferner Versicherter nicht. Rentenfern ist grundsätzlich, wer am 1. Januar 2002 pflichtversichert war und das 55. Lebensjahr noch nicht vollendet hatte.

BGH IV ZR 9/15 und IV ZR 168/15

Schriftformerfordernis

Ausgabe 18 - September 2016

Das Bundesarbeitsgericht hat entschieden, dass ein Telefax oder eine E-Mail nicht ausreichend ist, um die gesetzlich geforderte Schriftform zur Beantragung von Elternzeit zu wahren.

BAG 9 AZR 14515

Vererben Sie Ihren Urlaub

Ausgabe 17 - Januar 2016

Erben ist ja bekanntlich nur eine – wenn überhaupt – einseitig schöne Sache. Aber manchmal, bei ganz entfernten Verwandten (z.B. der bis dahin unbekannten Großtante aus Thüringen) freut man sich doch über eine unerwartete Erbschaft. Umso überraschter wird man sein, wenn man bei der Testamentseröffnung unter notarieller Aufsicht Resturlaubstage in nicht unbeträchtlicher Höhe vererbt bekommt.

Geht nicht? – Geht doch!

Das Bundesurlaubsgesetz sieht vor:
„Kann der Urlaub wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses ganz oder teilweise nicht mehr gewährt werden, so ist er abzugelten.“

Allerdings hatte das Bundesurlaubsgesetz keine derart endgültige Beendigung des Arbeitsverhältnisses vorgesehen und versagte bei Tod dem Beschäftigten (nachvollziehbar) aber auch den Erben die Abgeltung.

Dies hat jetzt der Europäische Gerichtshof (EuGH) mit seinem Urteil vom 12. Juni 2014 (Az.: C-118/13) korrigiert, denn auch das deutsche Recht sieht vor:
Nach § 1922 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs geht mit dem Tod einer Person (Erbfall) deren Vermögen (Erbschaft) als Ganzes auf eine oder mehrere Personen (Erben) über.

Dem Urteil des EuGH lag folgender Fall zugrunde: Ein Beschäftigter verstarb und hinterließ Resturlaubsansprüche von 140,5 Urlaubstagen.

Da bei den derzeitigen Tarifabschlüssen ein größeres Erbe eh nicht zu erwarten und durch die immer stärkere Arbeitsverdichtung eine Anhäufung von Urlaubstagen fast die Regel ist, gibt es jetzt einen Hoffnungsschimmer am europäischen Horizont.

Es lebe Europa!

Geltungsbereich des WissZeitVG

Sonderausgabe Wissenschaft - November 2015

Für die Frage, ob die Befristung eines Arbeitsvertrages nach dem Wissenschaftszeitvertragsgesetz (WissZeitVG) rechtmäßig ist, kommt es insbesondere auch darauf an, ob das WissZeitVG überhaupt in personeller Hinsicht auf das jeweilige Anstellungsverhältnis Anwendung findet.

Dem Rechtsstreit zu Grunde lag eine Entfristungsklage einer Lehrkraft für besondere Aufgaben für Japanisch, die während zwei Dritteln ihrer Arbeitszeit Lehrveranstaltungen in moderner japanischer Sprache abzuhalten hatte.

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat hierzu wichtige Grundsätze aufgestellt:

Zum Einen urteilte das BAG aus, dass das WissZeitVG seinen Begriff des „wissenschaftlichen und künstlerischen Personals“ im Sinne von § 1 WissZeitVG eigenständig und abschließend bestimmt. Begriffsbezeichnungen oder Zuordnungsdefinitionen nach den landeshochschulrechtlichen Regelungen erachtete das BAG als irrelevant.

Zum Zweiten gehören nach Ansicht des Bundesarbeitsgerichts zum „wissenschaftlichen Personal“ im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 WissZeitVG (nur) diejenigen Arbeitnehmer, die wissenschaftliche Dienstleistungen zu erbringen haben.

Entscheidend sei hierbei nicht die formelle Bezeichnung des Arbeitnehmers, sondern der wissenschaftliche Zuschnitt der ausgeübten Tätigkeit. Bei Mischtätigkeiten sei erforderlich, dass die wissenschaftlichen Tätigkeiten überwiegen oder das Arbeitsverhältnis zumindest prägen.

„Wissenschaftliche Tätigkeit“ definierte das BAG wiederum als „alles, was nach Inhalt und Form als ernsthafter planmäßiger Versuch zur Ermittlung der Wahrheit anzusehen ist“, sie sei „nach Aufgabenstellung und anzuwendender Arbeitsmethode darauf angelegt, neue Erkenntnisse zu gewinnen und zu verarbeiten, um den Erkenntnisstand der jeweiligen wissenschaftlichen Disziplin zu sichern oder zu erweitern“. Zur wissenschaftlichen Dienstleistung könne dabei auch „die Vermittlung von Fachwissen und praktischen Fertigkeiten an Studierende und deren Unterweisung in der Anwendung wissenschaftlicher Methoden gehören“. Wissenschaftliche Betätigung sei „eine Lehrtätigkeit aber nur dann, wenn dem Lehrenden die Möglichkeit zur eigenständigen Forschung und Reflexion“ verbliebe; die wissenschaftliche Lehrtätigkeit sei insofern von einer unterrichtenden Lehrtätigkeit ohne Wissenschaftsbezug abzugrenzen.

Lehrveranstaltungen, wie sie die Klägerin als Lehrkraft für besondere Aufgaben für Japanisch abzuhalten hatte, sind nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichts aber „repetierende Wissensvermittlung und keine wissenschaftliche Dienstleistung“.

Das Bundesarbeitsgericht gab der Klägerin daher Recht und sah die Befristung des Arbeitsverhältnisses als unwirksam an.

Ein Orientierungssatz des Urteils des Bundesarbeitsgerichts lautet entsprechend:

„Fremdsprachenlektoren, die überwiegend mit der bloßen Vermittlung von Sprachkenntnissen betraut sind, unterfallen dem Begriff des wissenschaftlichen Personals nach § 1 Abs 1 S 1 WissZeitVG in der Regel nicht.“

Bundesarbeitsgericht, 7 AZR 827/09

Verlängerung der Qualifikationsbefristung ohne Antrag

Sonderausgabe Wissenschaft - November 2015

§ 2 Abs. 1 S. 3 WissZeitVG verlangt keinen Nachweis des mit der „Betreuung“ eines Kindes verbundenen Zeitaufwands. Auch Elternzeit oder Teilzeitarbeit müssen nicht vorliegen. Es genügt, dass das Kind im gemeinsamen Haushalt mit der betreuenden Person lebt und dem befristet beschäftigten Elternteil das Sorgerecht zusteht, so entschied das Landesarbeitsgericht Köln.

Für eine Überschreitung der zulässigen Dauer für Qualifikationsbefristungen bedarf es nach eindeutigem gesetzlichem Wortlaut keiner Vereinbarung zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber (im Gegensatz zum notwendigen Einverständnis nach § 2 Abs. 5 WissZeitVG).

Die Klägerin war mehr als 13 Jahre an einer Forschungseinrichtung beschäftigt. Sie hatte gehofft, durch die Überschreitung des zulässigen Befristungsrahmens von 12 Jahren eine Entfristung einklagen zu können, da sie keine Vereinbarung zur Verlängerung wegen der Betreuung ihres Kindes getroffen und auch keine Elternzeit in Anspruch genommen hatte. Das Gericht entschied gegen die Klägerin.

Landesarbeitsgericht Köln, 4 Sa 1320/11

Befristetes Arbeitsverhältnis: Arbeitslosmeldung drei Monate vor Ende

Ausgabe 14 - Februar 2015

Meldet sich ein befristet Beschäftigter später als drei Monate vor dem Ende des Arbeitsverhältnisses bei der Arbeitsagentur arbeitssuchend, beginnt die zu verhängende einwöchige Sperrzeit für den Bezug von Arbeitslosengeld mit dem Tag der verspäteten Meldung. Dies gilt auch dann, wenn ein Ruhen des Arbeitslosengeldanspruchs nicht mehr eintritt, weil die Arbeitslosigkeit erst nach Ablauf der Sperrzeit beginnt.

Sozialgericht Dortmund, 2014 -5 31 AL 573/12

Kein Wegeunfall bei Arztbesuch

Ausgabe 14 - Februar 2015

Wer auf dem Weg zur Arbeit einen Arztbesuch einschiebt, steht nicht unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung. Dies entschied das Bayerische Landessozialgericht. Der Kläger war am Unfalltag vor Arbeitsbeginn bei der Blutabnahme. Auf dem Weg von der Arztpraxis zu seiner Arbeitsstelle verunglückte der Mann mit dem Fahrrad . Weil der Unfallort nicht auf dem üblichen Weg zur Arbeit lag, lehnte der Unfallversicherungsträger einen Arbeitsunfall ab. Das Gericht bestätigte die Entscheidung. Eine Blutabnahme zur Kontrolle von Blutwerten sei eine private Tätigkeit, auch wenn dies mittelbar der Erhaltung der Arbeitskraft diene. Der Arztbesuch sei auch nicht notwendig gewesen, um die Arbeit überhaupt verrichten zu können. Dass der Arbeitgeber des Klägers einem späteren Arbeitsbeginn am Unfalltag zugestimmt habe, begründe ebenfalls keinen Zusammenhang zur versicherten Tätigkeit. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

Bayerisches Landessozialgericht, Az. L 2 U 180/13

Differenzierung zwischen bei demselben Arbeitgeber und bei anderen Arbeitgebern zurückgelegten Zeiten verstößt gegen die europarechtlichen Freizügigkeitsvorschriften

Ausgabe 13 - August 2014

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat mit Urteil vom 5. Dezember 2013 (C 514/12) entschieden, dass eine Differenzierung zwischen bei demselben Arbeitgeber und bei anderen Arbeitgebern zurückgelegten Zeiten grundsätzlich gegen die europarechtlichen Freizügigkeitsvorschriften verstößt. Der Grundsatz der Gleichbehandlung, der sowohl in Artikel 45 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) als auch in Artikel 7 der EU-Verordnung Nr. 492/2011 niedergelegt ist, verbietet nicht nur offensichtliche Diskriminierungen aufgrund der Staatsangehörigkeit, sondern auch alle verschleierten Formen der Diskriminierung, die durch die Anwendung anderer Unterscheidungskriterien de facto zum gleichen Ergebnis führen.

Hieraus können sich Ansprüche der Beschäftigten auf Stufenzuordnung, auf Krankengeldzuschuss und auf Jubiläumsgeld ergeben, die über die derzeitigen Regelungen in den Tarifverträgen für den öffentlichen Dienst hinausgehen. Unter Berücksichtigung der Begründung ist die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs auf mehrere Regelungsbereiche des Tarifvertrags der Länder (TV-L) übertragbar:

Bezüglich der Stufenzuordnung innerhalb der Entgeltgruppen stellt der TV-L grundsätzlich auf „einschlägige Berufserfahrung“ ab, ohne zu differenzieren, bei welchem Arbeitgeber diese Berufserfahrung erworben wurde. Allerdings differenziert die für alle Beschäftigten der Länder geltende Vorschrift des § 16 Abs. 2 TV-L bei der Anrechnung von einschlägiger Berufserfahrung zum Teil ausdrücklich danach, ob diese Berufserfahrung bei demselben oder einem anderen Arbeitgeber erworben wurde. Dies verstößt gegen die europarechtlichen Freizügigkeitsvorschriften.  Dem Grundsatz der „Anpassung nach oben“ (vergl. BAG 9 AZR 529/10 vom 20.03.2012 und 6 AZR 964/11 vom 24.10.2013) folgend, haben insoweit die betroffenen Beschäftigten den Anspruch, dass auch ihre bei anderen Arbeitgebern erworbene einschlägige Berufserfahrung bei der Stufenzuordnung angerechnet wird. Sie sind so zu stellen, als wenn die bei anderen Arbeitgebern erworbene einschlägige Berufserfahrung bzw. zurückgelegte Zeit von Anfang an bei ihrer Stufenzuordnung berücksichtigt worden wäre. Rückwirkende Zahlungsansprüche ergeben sich daraus jedoch nur im Rahmen der sechsmonatigen Ausschlussfrist des § 37 TV-L.

Auch die Differenzierung gem. § 34 Abs. 3 TV-L zwischen zurückgelegten Beschäftigungszeiten bei demselben Arbeitgeber (bzw. unter denselben Tarifvertrag fallenden anderen Arbeitgebern oder anderen öffentlich-rechtlichen Arbeitgebern) einerseits und sonstigen Arbeitgebern andererseits ist unzulässig. Auch hier sind aufgrund der „Anpassung nach oben“ alle in einem Arbeitsverhältnis zurückgelegten Zeiten anzurechnen.

Neben der Bestimmung der Kündigungsfrist hat die Beschäftigungszeit Auswirkung auf den Anspruch auf Krankengeldzuschuss (§ 22 Abs. 3 TV-L) und auf den Anspruch auf Jubiläumsgeld (§ 23 Abs. 2 TV-L).

Die Überprüfung der Stufenzuordnung kann durchaus weiter reichende finanzielle Auswirkungen für betroffene Beschäftigte haben. Eine früher erreichte höhere Entwicklungsstufe der eigenen Entgeltgruppe, ein früherer Anspruch auf die Jubiläumszuwendung, sowie die längere Dauer der Zahlung eines Krankengeldzuschusses sind auch zukünftig gesehen bares Geld.

Prüfen Sie Ihre Ansprüche oder lassen Sie sich beraten, denn ohne eine entsprechende schriftliche Geltendmachung ihrer Ansprüche gibt es keine automatische Berichtigung ihrer Eingruppierung aufgrund der neuen Rechtsprechung. Auch wir Personalräte können Ihnen entsprechende Antragsvordrucke zur Verfügung stellen.  

Private Telefonate ohne Unfallschutz

Ausgabe 12 - Januar 2014

Während ihrer Arbeitszeit sind Arbeitnehmer gesetzlich unfallversichert. Der Versicherungsschutz wird allerdings unterbrochen durch Tätigkeiten, die nichts mit der Arbeit zu tun haben. Das gilt für den kurzen Einkauf in der Mittagspause oder das Essen in der Mensa. Wie ein aktuelles Urteil zeigt, sogar für private Telefonate am Arbeitsplatz. Das hessische Landessozialgericht in Darmstadt hat eine entsprechende Klage eines Arbeiters gegen seine Berufsgenossenschaft abgewiesen (Urteil vom 16.10.2013, Az.: L 3 U 33/11).

Während seiner Arbeit in einer Lagerhalle, erreichte ihn auf seinem Handy der Anruf seiner Frau. Allerdings herrschte direkt an seinem Arbeitsplatz ein schlechter Empfang, deshalb ging er nach draußen, um (etwa zwei bis drei Minuten) zu telefonieren. Auf dem Rückweg in die Halle blieb er an einer Laderampe hängen und erlitt einen Kreuzbandriss.

Das Gericht begründete, dass die Inanspruchnahme des gesetzlichen Unfallschutzes voraussetze, dass der Unfall in Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit passiere. Hätte der Mann mit seiner Frau am Arbeitsplatz telefoniert und diesen nicht verlassen, hätte er größere Chancen auf Anerkennung eines Arbeitsunfalls gehabt.

Rentner: Keine Jahressonderzahlung

Ausgabe 12 - Januar 2014

Nach § 20 Abs. 1 TV-L (Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder) haben Beschäftigte, die am 1. Dezember im Arbeitsverhältnis stehen, einen Anspruch auf Jahressonderzahlung.

Ein Beschäftigter aus Süddeutschland vertrat die Auffassung, dass diese Stichtagsregelung ihn aufgrund seines Alters benachteilige und bezog sich dabei auf das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG). Aufgrund des Renteneintritts war er zum 31. Oktober aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden und hatte somit keine Jahressonderzahlung von seinem Arbeitgeber erhalten.

Das Bundesarbeitsgericht entschied, dass eine unmittelbare Benachteiligung nicht vorliege, da der Anspruch auf die Sonderzahlung nicht vom Alter des Beschäftigten abhängt. Es seien keine Anhaltspunkte erkennbar, dass ältere Arbeitnehmer überproportional von der Regelung betroffen sind. Auch andere Beschäftigte, die beispielsweise wegen des Ablaufs eines befristeten Arbeitsvertrags, wegen einer Eigenkündigung oder einer arbeitgeberseitigen Kündigung vor dem 1. Dezember ausscheiden, haben unabhängig von ihrem Alter keinen Anspruch auf die Sonderzahlung.

Bundesarbeitsgericht, AZR 718/11